Hochaktive Vulkane als Touristenattraktionen
Island ist weltweit für seine Vulkane bekannt und regelmäßig Kulisse mehr oder weniger starker Ausbrüche. Nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull, der 2010 tagelang den Flugverkehr lahmlegte, begann im März dieses Jahres der Geldingadalir auf der Halbinsel Reykjanes Feuer zu spucken. Er ist Teil eines vergleichsweise wenig aktiven Vulkansystems, wo sich nur etwa alle achthundert Jahre Eruptionen ereignen, die dann aber länger andauern.
Bildunterschrift: Vulkanausbruch (Fotos: Ferðamálastofa – UST)
Am 19. März 2021 brach eine Vulkaneruption über die Halbinsel Reykjanes im Südwesten Islands herein, die seit nunmehr rund vier Monaten andauert und die Täler der Umgebung mit Lava überzieht. Die Ausbruchsstelle liegt nur rund 35 km von Reykjavik entfernt und damit nahe einer vergleichsweise dicht besiedelten und wirtschaftlich aktiven Gegend der Insel. Mittlerweile ist der Ausbruch – der erste seit rund achthundert Jahren in der Gegend eine Touristenattraktion, wobei das Risiko aufgrund der effusiven Tätigkeit des Vulkans eher gering ist.
Tourismus-Monitoring an Islands Vulkanstandorten und sonstigen Naturschauplätzen
Im Herbst 2020 hatte das Icelandic Tourist Board beschlossen, Fußgängerzählungen an zwanzig Naturschauplätzen des Landes durchzuführen und die so ermittelten, automatisch übertragenen Daten täglich auf einem dedizierten Dashboard zu veröffentlichen, um den Publikumsverkehr an Islands größter Touristenattraktion – der Natur – nachzuverfolgen.
Vor dem Hintergrund des anlässlich des Vulkanausbruchs zu erwartenden Medienrummels und Besucherandrangs ließ die isländische Umweltbehörde Ferðamálastofa-UST eigens einen Wanderweg für den Zugang zum Fagradalsfjall-Vulkangebiet anlegen und stattete diesen mit einem Fußgängerzähler aus, um sich ein „Vorher/Nachher-Bild von den Besucherzahlen zu verschaffen.
In den ersten Tagen des Ausbruchs wurden bis zu 12.000 Zählungen täglich vor Ort registriert. Danach pendelte sich der Tageswert auf rund 2.500 Besucher*innen ein. Dabei weisen die erstellten Stundenprofile höhere Besucherzahlen nach Einbruch der Dunkelheit aus, wenn das Vulkanschauspiel besonders eindrucksvoll ist.
Bildunterschrift: PYRO Box-Fußgängerzähler an einem Wanderweg zum Geldingadalir-Vulkan
Diese Daten ermöglichen es Tourismusbranche und Regierung, ausgehend von Datenanalysen Prognosen über die zu erwartenden Besucherzahlen vor Ort aufzustellen. So lassen sich u. a. Fragen wie diese beantworten: „Gehen die Besucherzahlen bei Regenwetter zurück?“, „Wie kann ich meiner Reisegruppe Stoßzeiten ersparen?“ oder: „Was muss getan werden, um Besucher*innen im Notfall möglichst schnell evakuieren zu können?“ Reiseveranstalter können mit Hilfe solcher Daten maßgeschneiderte Programme für Reisegruppen erstellen und Touren beispielsweise zu Uhrzeiten mit erwartungsgemäß geringem Besucheraufkommen planen. Das ermöglicht eine bessere Abstimmung auf die Erwartungen der Gruppe und somit ein positiveres Erlebnis.
Derzeit läuft außerdem ein Pilotprojekt, bei dem Daten im 15-Minuten-Takt statt wie bislang einmal täglich übertragen werden. Reiseveranstalter könnten ihre Tourenangebote dann noch besser an die Wünsche ihrer Gruppen anpassen. Wenn z. B. der Besucherandrang sehr viel größer als erwartet und ein ausreichender zeitlicher Spielraum gegeben ist, könnte die Gruppe am nahen Quellengebiet Seltún Mittagspause machen, bis die Besucherzahlen sich wieder normalisiert haben.
Für Island ist die Nachverfolgung von Besucherströmen von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, die ökologischen und sozialen Tourismusfolgen für das empfindliche Gleichgewicht einheimischer Naturstandorte und kleiner menschlicher Ansiedlungen abschätzen zu können. Darüber hinaus kann das Touristic Board anhand der Daten die landesweite Verteilung von Touristenströmen ermitteln und damit die immer wieder gestellte Frage beantworten: „Wie viele Tourist*innen haben diesen Naturschauplatz oder diese Ortschaft in den letzten Monaten besucht?“ Zuverlässige Antworten auf Fragen wie diese werden künftig eine wertvolle Hilfe sein.
Die in diesem Beitrag zitierten Besucherzahlen und sonstigen Projektdaten sind auf der Online-Plattform Digital Tourism in the Nordics zu finden.
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