Dieser Artikel zeigt mehrere Beispiele auf, wie Besucherdaten zum Schutz von Flora und Fauna genutzt werden können – von den Bergen des Acadia-Nationalparks in den USA bis zu den Wäldern im Schweizer Kanton Zürich.

Wiederherstellung der Flora im Acadia-Nationalpark


Der zweithöchste Gipfel im Acadia-Nationalpark im US-Bundesstaat Maine ist der Sargent Mountain. Er bietet einen atemberaubenden 360-Grad-Blick auf den Park und man kann im ältesten See von Maine, dem Sargent Mountain Pond, schwimmen.


Es ist dort so schön, dass der Ort zu einem beliebten Touristenziel geworden ist. Doch dass ständig Menschen dort herumlaufen, belastete die Vegetation, sie litt. Das Gebiet zu schließen, reichte nicht aus, um die Vegetation wiederherzustellen. Das Problem lag nämlich im Boden selbst. Er war zu stark verdichtet, als dass die Flora wieder richtig hätte gedeihen können.

Vue depuis le sommet du Mont Sargent, parc Acadia (crédit photo : Dana Moos)

Blick vom Gipfel des Mount Sargent, Acadia-Park (Foto: Dana Moos)

Im Juni 2023 transportierten 72 Freiwillige Säcke mit Mutterboden zum Gipfel. Ziel dieser Aktion war es, beschädigte „inoffizielle“ Wege zu restaurieren (also solche, die entstanden waren, weil an den jeweiligen Stellen immer wieder Wanderer durchgelaufen waren). Der Boden sollte wiederhergestellt werden, damit sich die Flora erholen und die Biodiversität erhalten werden konnte.


Um das Wiederherstellungsprogramm langfristig zu überwachen, installierten die Parkverwaltung einige Fußgängerzähler auf den sanierten Wegen. Die Zähler sollten verschiedenerlei leisten:

  • Die Besucheranzahl zu erfassen sowie deren Veränderung von Jahr zu Jahr.
  • Freiwillige basierend auf den erfassten Besucherzahlen gezielt dorthin zu schicken, wo es vorrangig notwendig war. So konnte der Park das öffentliche Bewusstsein stärken und Maßnahmen direkt ergreifen, nachdem die Menschen die jeweiligen Stellen passiert hatten.
  • Zu erfassen, inwieweit Besucher über die Maßnahmen zur Wiederherstellung der Pflanzenwelt Bescheid wissen.

Die Parkverwaltung brachte QR-Codes in den betroffenen Gebieten an, um Besucher über die Wiederherstellungsmaßnahmen zu informieren. Indem sie die Anzahl gescannter QR-Codes mit den erfassten Besucherzahlen abglich, ließ sich feststellen, wie viele Menschen sich mit den Infoschildern zu den Naturschutzthemen befasst hatten.

Schutz der Wanderfalken im Acadia-Park


Der Acadia-Park ist auch ein Nistplatz für Wanderfalken, eine geschützte Art, die jedes Jahr zwischen April und August nistet.


In dieser Zeit ist es sehr wichtig, dass Besucher den Vögeln nicht zu nahe kommen, um sie nicht bei der Aufzucht ihrer Jungen zu stören.

Falaises du Parc Acadia où les faucons pèlerins nichent à même la roche.

Wanderfalken in der Nähe ihres Nests im Acadia-Nationalpark (Foto: Ashley L. Conti/Friends of Acadia)

Deshalb werden während dieser Zeit einige Teile des Parks gesperrt (insbesondere der Precipice Trail am Champlain Mountain). Das geschieht aus zweierlei Gründen: Einerseits setzen vorbeiwandernde Menschen die Vögel und ihre Jungen nicht unter Stress. Andererseits schützt diese Maßnahme auch die Menschen vor den Vögeln. Wanderfalken sind während der Brutzeit nämlich oft aggressiver und zeigen ein ausgeprägteres Territorialverhalten. Diese Vorsichtsmaßnahme verhindert, dass es zu Zwischenfällen mit Wanderern kommt.


Um zu erfassen, wie viele Menschen trotz Sperrung in die jeweiligen Gebiete eindringen, installierte die Parkverwaltung Zähler an den Wegen des Champlain Mountain. Wenn die Zahlen zu hoch werden, können die Mitarbeiter eingreifen, Besucherströme umlenken und die Menschen aufklären. Solche Daten sind also ein wertvoller Beitrag zum Schutz der Wildtiere.


Ebenso lassen sich anhand der Zählerdaten Rückschlüsse darauf ziehen, wie gut die Beschilderung funktioniert. Achten die Menschen auf die Schilder, die den Zugang beschränken, oder betreten sie trotzdem die gesperrten Bereiche? Dank der installierten Zähler kann die Parkverwaltung die Effektivität der Beschilderung messen und gegebenenfalls Größe und Inhalt der Informationstafeln anpassen.

Weitere Informationen zu den Zählmaßnahmen im Acadia-Park finden Sie hier.

Zwischen Mensch und Reh – Wie sich unser Verhalten auf die Natur im Kanton Zürich auswirkt (Schweiz)


Auf der anderen Seite des Atlantiks, in der Schweiz, haben Wissenschaftler der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften eine interessante Studie durchgeführt, die Besucherzahlen mit Wildtier-Geodaten verknüpft.


Martin Wyttenbach, Leiter der Forschungsgruppe Umweltplanung, und sein Team haben gemessen, wie sich Freizeitaktivitäten in Naturräumen, wie beispielswiese Mountainbiking, auf die Aktivität von Rehwild auswirken. Ziel war es, nachzuvollziehen, welche Routen die Menschen nehmen, um die Lebensräume der Wildtiere besser zu schützen.

Dazu wurden 15 Rehe eingefangen und mit GPS-Halsbändern versehen, um ihr Verhalten zu überwachen und festzustellen, in welchen Gebieten sie sich aufhalten. Zusätzlich wurden mehrere MULTI-Zähler installiert, um auf den Naturpfaden in der Nähe des Zürcher Ballungsraums, wo das Rehwild lebt, den Fußgänger- und Fahrradverkehr zu messen.

 

Die Analyse zeigte, dass die Aktivitätsmuster von Besuchenden und Rehwild gegensätzlich sind: Während das Rehwild vorwiegend in der Dämmerung und im Morgengrauen aktiv ist, sind die meisten Menschen tagsüber unterwegs. Allerdings gibt es eine leichte Überschneidung am Tagesende, wenn sich noch viele Menschen in den jeweiligen Gebieten aufhalten, aber auch das Rehwild bereits vermehrt aktiv wird. Hier besteht das Risiko, dass die Menschen das Wild stören, was sich die Forstverwaltung genauer wird ansehen müssen.

 

Durch die Analyse der Besucherzahlen in verschiedenen Teilen des Gebiets konnten die Wissenschaftler Bereiche identifizieren, in denen sich viele Menschen aufhalten und solche, wo wenig Menschen unterwegs sind. Die Analyse des Rehwildverhaltens in den entsprechenden Gebieten ergab, dass es auch hier Unterschiede gibt.

Dort, wo wenig Menschen unterwegs waren, hielten sich die Rehe hauptsächlich innerhalb ihres Territoriums auf (also dem Bereich, in dem 95 % der GPS-Positionen des Wilds erfasst wurden). In Gebieten mit vielen Besuchern war festzustellen, dass das Wild aus seinem Territorium flüchtete.

In einem weiteren Schritt analysierten die Wissenschaftler auch, wie weit das Rehwild flüchtete, wenn es gestört wurde. Ziel war es nachzuvollziehen, welche Freizeitaktivitäten das Wild am meisten störten: Mountainbikeng, Wandern auf Wegen, Beobachtungstouren abseits der Wege usw.

Hier zeigte sich, dass sich das Wild meist nur kurz vertreiben lässt: Fünf Minuten nach einer Störung kehrten die Rehe an ihre ursprüngliche Position zurück. Allerdings scheint sich das Rehwild nachts stärker gestört zu fühlen als tagsüber (größere Fluchtdistanz), und mehr durch Aktivitäten abseits der Wege als solche auf den Wegen (Mountainbiken).

Martin Wyttenbachs Analyse zeigt, dass sich Rehe offenbar an Outdoor-Aktivitäten gewöhnen können. Die Ergebnisse legen jedoch auch nahe, Aktivitäten möglichst auf ausgewiesene Wege zu lenken. Ziel ist es, dass Besucher die Natur erleben können, ohne die Tierwelt damit zu stören, indem Aktivitäten mit Sensibilisierungsmaßnahmen kombiniert werden.

Weitere Informationen zu dieser Studie finden Sie auf der Website der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz.